Treibhausgasbilanz: Nicht bloss Pflicht, sondern Kür
Eine Treibhausgasbilanz zu erstellen kann herausfordernd sein. Warum es sich lohnt, erklärt Rainer Zah von Ernst & Young. Der Experte für datengestützte Nachhaltigkeit hat schon unzählige Öko- und Treibhausgasbilanzierungen gerechnet.
Unternehmen, die sich für den Klimaschutz engagieren wollen, sollten mit einer Treibhausgasbilanz starten. Warum?
Rainer Zah: Eine Treibhausgasbilanz schafft Transparenz und Objektivität. Mit dem Bauchgefühl werden die Emissionsquellen oft falsch eingeschätzt. Auch ich hatte immer wieder Aha-Effekte. Ein Beispiel: In einem Spital würden wohl viele hinter dem Energieverbrauch für die Haus- und Medizintechnik die grössten Emissionen vermuten. In Tat und Wahrheit sind es jedoch die Verpflegung und der Transport der Mitarbeitenden. Eine transparente Datengrundlage ist auch Basis, um das Erreichte auszuweisen. So kann man Greenwashing-Vorwürfen vorbeugen.
Welche Erkenntnisse kann ich von einer Treibhausgasbilanz erwarten?
Unternehmen, die nicht reine Dienstleister sind, werden sehen, dass die meisten Emissionen in der Lieferkette anfallen. Deshalb ist die Analyse der Scope-3-Emissionen so wichtig. In einem ersten Schritt geht es primär darum, die Hotspots zu identifizieren. Meine Erfahrungen zeigen, dass sich am Schluss zwei bis drei Produkte oder Prozesse herauskristallisieren, die am meisten Emissionen ausmachen. So kann ich als Unternehmen die richtigen Prioritäten setzen und dort ansetzen, wo ich das beste Verhältnis von Kosten zu Wirkung habe.
Sie sehen eine Treibhausgasbilanz auch als Business-Instrument. Warum?
In grossen Unternehmen befassen sich heute bereits ein Drittel der Management-Aufgaben mit der Nachhaltigkeit – sozial und ökologisch. Die Bedeutung wird noch weiter zunehmen. Ein Unternehmen sollte eine Treibhausgasbilanz nicht nur als Pflicht sehen, sondern als Chance. Sie ist ein wichtiges strategisches Instrument zur Unternehmensentwicklung. Denn um die Emissionen langfristig auf Netto-Null zu bringen, sind nicht nur innovative Technologien, sondern auch völlig neue Geschäftsmodelle gefragt. Wer hier die Nase vorn hat, wird langfristig Wettbewerbsvorteile haben.
Interview: Irene Bättig, Sprachwerk GmbH